Analphabetismus

Frau Professor Anke Grotlüschen von der Universität Hamburg hat festgestellt, dass wesentlich mehr Erwachsene nicht sinnentnehmend lesen können als man bisher dachte. Jetzt wundert man sich warum, aber alles beginnt bereits in der Grundschulzeit.

Die Kinder lernen einzelne Buchstaben, können diese aneinandersetzen und auch einzelne Worte lesen. Um aber ein flüssiges Lesen mit Textverständnis zu erlangen gehört mehr viel dazu, denn unsere Wörter werden nicht buchstabengetreu gelesen. Wenn ein Leseanfänger aber seine ganze Aufmerksamkeit auf die Ausnahmen der deutschen Phonetik lenken muss, wie kann er sich den Inhalt einen ganzen Satzes merken?

Die meisten Kinder schaffen es irgendwann, aber 20% der Kinder haben Probleme beim Lesen- und Schreibenlernen. Wie können sie trotzdem Schulaufgaben beantworten? Indem sie ein gutes Gedächtnis haben, da (zumindest an der Volksschule) die meisten Lehrer die Aufgaben vorlesen. Wenn sie nun einzelne Wörter wiedererkennen dort die Antwort in Stichworten aufgeschrieben.

Wie geht unser Bildungssystem mit Kindern mit einer LRS um? Sie bekommen ein Attest, erhalten für die Schulaufgaben mehr Zeit und dürfen Rechtschreibfehler machen. Die Leseschwäche wird so nicht behoben.

Für Leseanfänger und Menschen mit Leseschwäche bräuchte man daher Anfangstexte, die ihnen ein flüssiges Lesen ermöglichen, damit sie einen Leseerfolg haben und so zu weiterem Lesen ermutigt werden. Weniger Text pro Seite (wie in allen gängigen Erstleserbüchern üblich) reicht nicht aus. Eine Fremdsprache versteht man auch nicht besser indem sie lauter gesprochen wird. Mit der Schriftsprache verhält es sich nicht anders. In der 1. Klasse gibt es eine Lesefibel mit einfachen Texten, doch bereits in der 1. Klasse sind die Bücher und Lesetexte für HSU (Heimat- und Sachkunde) zu lange und ausführliche Lesetexte. Ab der 2. Klasse sind auch die Texte der Lesebücher an die Kinder angepasst die gut lesen können.

Aus diesem Grund habe ich für meine Kinder ein neues Konzept entwickelt, mit dem sie sehr schnell zu Lesern wurden. Leider ist bisher nur ein Teil des Konzeptes veröffentlicht:

Vorstufe (erst Vokale und stimmhafte Konsonanten, dann Plosivlaute)
1. Texte mit nur buchstabengetreuen Wörtern
2. Erlernen und Einüben von Diphthongen (ei, au), Konsonantenhäufungen (ch, sch) und Dehnungen (ie, eh)
3. Texte mit buchstabengetreuen Wörtern, aber mit allen Funktionswörtern (die, ich, auf, ihn, …) so können diese Abweichungen eingeschliffen werden.
4. Erst jetzt kurze Texte wie Erstlesetexte zur Steigerung der Leseausdauer.

In einem durchschnittlichen Texte gibt es folgende Hürden:
– jedes vierte Wort hat mindestens eine Buchstabenverbindung (ei, ie, ch, sch, …) die eine Lautwertverschiebung zur Folge hat
– jedes siebte Wort hat mehr als 10 Buchstaben
– lange Sätze mit Nebensätzen kommen noch dazu.
Hier gibt es keinen Unterschied zwischen einem Roman, Fachliteratur oder einem Erstlesebuch. Kann ein Kind flüssig lesen und beherrscht es neben der Unterscheidung von b/d/p/g alle Buchstabenverbindungen auch im Kontext (nicht nur bei einzelnen Wörtern) so sollte es auch keine Probleme mit dem sinnentnehmendem Lesen haben. Doch bis es soweit ist müssen wir einen jeden Leseanfänger mit einfachen Texten unterstützen und entmutigen.

Fazit:
Würde man die kindlichen Leseanfänger besser unterstützen, so könnten wir auch den Analphabetismus unter Erwachsenen mit der Zeit reduzieren.
Auch Erwachsene, die in einen Alphabetisierungskurs gehen, benötigen für den Anfang, Texte in leichter Schriftsprache.

SELBER LESEN:
Die Reihe für Leseanfänger
Geschichten und Texte von Birgit Sommer

Bücher im DinA5 Heftformat
-> Tipp für Büchereien

-> Leseprobe und Buchdaten (Titel und ISBN)